Lebenswert . Leben . Lernen

             Die Illusion von der Willensfreiheit    Gefühle bestimmen, was wir wollen

Die Quellen der Informationen in diesem Blog sollen Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis sein.

Auf wissenschaftliche "Beweisführung" soll hier ausdrücklich verzichtet werden.

2017-11-12

Mein Bestes, Dein Bestes, unser Bestes

Es hört sich einfach an, dass jeder immer das wollen muss, was ihm im jeweiligen Augenblick als das Beste erscheint.
Nun gilt das aber für jeden Menschen. Und davon gibt es viele. Einsiedler haben mit dem Naturgesetz kein Problem. Ihnen kommt so schnell kein „Bestes“ anderer in die Quere. Aber wir, die wir in Gemeinschaft mit anderen leben, werden von diesem Gesetz massiv herausgefordert.
Einiges aus dem Alltag: Ich stehe im Bäckerladen in einer Reihe mit anderen. Ich „will“ vier Brötchen und sehe, dass der Vorrat mit jedem, der vor mir dran ist, immer kleiner wird. - Ich bewerbe mich mit zehn anderen um einen Arbeitsplatz. - In der Straßenbahn sind nur noch 5 Plätze frei, mit mir warten aber noch zehn weitere. - Ich möchte jetzt den Rasen mähen. Meine Frau möchte aber zur gleichen Zeit, dass ich mit ihr zum Einkaufen fahre. - Ich möchte jetzt den Mittagsschlaf halten. Mein Kind will jetzt aber im selben Raum und genau zur selben Zeit auf seinem Schlagzeug üben. - Ich möchte mehr Gehalt. Mein Chef aber möchte die Personalkosten reduzieren. – Das sind nur ein paar mehr oder weniger kleine Konflikte.
Es kann im Alltag gar nicht anders sein, als dass das, was dem einzelnen Menschen jeweils als das Beste erscheint, mit dem, was anderen als das Beste erscheint, in Konflikt kommt. Wir kennen es alle. Dafür wurden in der Menschheitsgeschichte Gebote und Verbote, Gesetze und Benimmregeln geschaffen. Daran halten sich scheinbar die meisten Menschen, jedenfalls „wollen“ sie sich daran halten. (Ich zähle mich zu ihnen.) Warum? –Weil es uns als das Beste erscheint. Als das Beste halten wir es aus unterschiedlichen Gründen. Viele halten es für das Beste, weil andere es sagen, dass es das Beste ist. Sie hören es von den Eltern oder anderen Erziehungspersonen und nehmen es ungeprüft als richtig an. Andere halten es für das Beste, weil sie nach eigenen Überlegungen zu keinen besseren Lösungen gekommen sind. Allerdings gibt es auch jene, die ganz andere Vorstellungen davon haben, wie das Beste für sich durchsetzen können und sehen die Vorschriften und Regeln mehr als Ansporn, sich darüber hinwegzusetzen. Auch das hat Gründe. Darüber an anderer Stelle mehr.
Kehren wir zum „Normalen“ zurück. Nicht immer schaffen wir es, die Regeln und guten Vorsätze einzuhalten, obwohl wir es eigentlich „wollen“.
Sich „richtig“ zu verhalten, etwas richtig zu machen, erzeugt ein angenehmes Gefühl, etwas falsch zu machen, erzeugt ein unangenehmes Gefühl. Das Verhaltensgesetz bestimmt, dass wir angenehme Gefühle anstreben und unangenehme Gefühle vermeiden wollen. Wieso verhalten wir uns dann manchmal so, dass wir gegen die guten Vorsätze verstoßen? – Der Grund ist immer derselbe. In der jeweiligen Situation war ein anderes Gefühl kräftiger, (ge-)wichtiger als das Gefühl, das mit dem Befolgen bzw. Nichtbefolgen jener Vorschriften verbunden war. Das lässt sich in der gegebenen Situation nicht beeinflussen. Lediglich im Nachhinein, wenn wir uns bewusst machen, was passiert ist, können wir überlegen, ob wir etwas an unserem Verhalten ändern wollen, damit wir, sollte wir wieder in solch eine Situation kommen, uns anders verhalten, etwas anderes „wollen“. Solche Gedanken machen wir uns umso mehr, je weniger zufrieden wir mit unserem Verhalten waren.
Ich habe öfter erlebt, dass ich mit meinem Verhalten in bestimmten Situationen nicht glücklich war. Weil ich nicht von einem freien Willen ausgehen musste, konnte ich nach Ursachen suchen und nach Wegen, dass ich das, was ich wirklich „wollte“, mit kräftigeren Gefühlen verband. Andererseits konnte ich nach den Ursachen forschen, die mir immer wieder dazwischen funkten und warum sie aus dem Unterbewusstsein so viel Kraft hatten, meine guten Vorsätze zu torpedieren. Damit will ich nicht sagen, dass ich jetzt alles, was mich aus dem Unterbewusstsein beeinflusst, erforscht habe. Das halte ich auch nur für notwendig, solange ich immer wieder zu Verhalten neige, das ich eigentlich gar nicht will, bzw. das ich nicht für lebenswert halte. Es mag auch das geben, dass ein Verhalten, das ich eigentlich gar nicht will, weil es nicht zu meinen Grundsätzen passt, eigentlich das lebenswertere ist. Viele kennen wohl die unterdrückten Gefühle, wenn man aus „guter“ Erziehung, (falscher) Höflichkeit oder schlechten Erfahrungen den Mund hält, wo man etwas hätte sagen wollen.
Jetzt stellen wir uns einen Menschen vor, der genauso von diesen inneren Konflikten geplagt wird, und der von der Willensfreiheit überzeugt ist. Er „will“ sich in bestimmten Situationen in einer bestimmten Weise verhalten. Es gelingt ihm nicht. Er ärgert sich, ist enttäuscht von sich. Er reißt sich zusammen, „will“ es noch mehr. Immer gelingt noch nicht, was er „wollte“. Nicht wenige Menschen verzweifeln daran und halten sich für minderwertig. Manche treibt es gar in den Selbstmord. Andere wissen sich nicht anders zu helfen, als ihre Meinung zu ändern, und das Verhalten, das sie nicht unterdrücken können, als „richtig“ anzusehen.
Die psychologischen Beratungen, wohin viele Zuflucht nehmen, sollten ein weiterer Beweis dafür sein, dass die Willensfreiheit eine Illusion ist. Denn dort wird doch nach Ursachen gesucht für das, was wir wollen, aber nicht schaffen, oder für das, was wir nicht wollen und dennoch geschieht. Auch vieles andere in unserem Alltag ist davon geprägt, dass wir den Willen beeinflussen können, also dass das, was wir wollen Ursachen hat und eben nicht „frei“ zustande kommt. Die Werbeindustrie und die Politik seien hier nur als Beispiel erwähnt. Weshalb die riesigen Werbemaßnahmen, wenn des Menschen Wille „frei“ wäre und uns eine „freie“ Entscheidung vorgegaukelt wird? – Ich sehe es so, unser Alltag ist – und war schon zu allen Zeiten davon geprägt, dass des Menschen Wille steuerbar und eben nicht frei ist. In den Anfängen der Menschheit hat man sich darüber sicher gar keine Gedanken gemacht. Wann die Idee von der Freiheit aufgekommen ist, wird wohl im Dunkeln bleiben. Vielleicht aus ähnlichen Gründen, die den Teufel zum Leben erweckt haben. Menschen hatten Erlebnisse, die sie sich nicht erklären konnten. Es ist nun aber vom Leben so festgelegt, dass wir nach Erklärungen suchen müssen, weil Ungewissheit ungute Gefühle erzeugt, die erst dann gestillt werden, werden wir eine Erklärung finden. Wenn der Verstand keine Erklärung findet, hilft der Glaube, die Phantasie weiter. Der Götterglaube und vieles andere gehen auf diese Funktion des Verhaltensgesetzes zurück. Ebenso musste der arme Teufel für so manches herhalten, was sich Menschen nicht anders erklären konnten. Das machten sich nicht wenige zu Nutze. Sie selbst begingen strafbare Handlungen, schoben es aber dem Teufel in die Schuhe oder Menschen, von denen sie behaupteten, dass sie vom Teufel besessen waren. Hexenverbrennungen sind ein schauriges Beispiel. Ähnlich wird der Glaube an die Willensfreiheit in die Welt gesetzt und verteidigt worden sein.
Alle, die den Willen anderer steuern, haben ein Interesse daran, den Glauben an der Willensfreiheit aufrecht zu halten. Denn solange wird niemand auf die Idee kommen, dass andere steuern könnten, was sie wollen. Dass die Kirchenmächtigen auch an dieser Verdunklung ein gerüttelt Maß Schuld trägt, sollte nicht überraschen. Die Kirche hat es immer schon verstanden, neue Erkenntnisse unter Verschluss zu halten bzw. die Verbreitung zu ver- oder behindern. Solange, bis das Neue nicht mehr zu verheimlichen war. Und wenn dann die Verbreitung nicht mehr zu verhindern war, war sie so hinterhältig, sich selbst so ins Licht zustellen, als würde sie alles dafür tun, dass dieses Neue sich verbreiten kann. Eine „beliebte“ Strategie auch anderer Mächtiger, die auf Fehlvorstellungen, Fehlassoziationen fehlendem und fehlerhaften Wissen beruht. – Alles „kranke“ und „gekränkte“ Kinder, die erwachsen wurden ohne Heilung. Das vollkommene Leben ist ja in jedem. Aber nicht jeder kann es raus- und durchlassen. Der Verstand versperrt es. Der Verstand kann den Zugang wieder öffnen. Er muss bereit sein. Bereit sein, seine Vorurteile beiseite zu räumen. Bereit sein für den Glauben, dass das „Vollkommene“ nur verdeckt wurde, verdeckt durch voreilige und manchmal falsche Schlussfolgerungen über das Erlebte.
Im Kapitel Sympathie und Antipathie gehe ich der Sache weiter auf den Grund.
Viele Grüße, H1 (Heinz)

h1_heinz - 17:33:05 @ Willensfreiheit - Eine Illusion | Kommentar hinzufügen